Farbpsychologie im Webdesign

Studien haben erwiesen, dass ein potenzieller Kunde nur wenige Sekunden braucht, um zu entscheiden, ob er sich mit einer Webseite auseinandersetzen oder doch lieber auf die Zurück-Taste klicken möchte. Das Webdesign gehört somit zu den wichtigsten Elementen, die den Erfolg einer Webseite bestimmen.

Insbesondere spielen die Auswahl der Farbpalette und die Bestimmung der Farbcodierung eine zentrale Rolle in der visuellen Gestaltung einer Webseite. In einer Studie mit dem Titel „Auswirkungen der Farbe auf das Marketing“ wurde festgestellt, dass bis zu 90% der Nutzer ein Produkt zuerst basierend auf seiner Farbe beurteilen.

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Was ist Farbpsychologie?

Fest steht, dass das menschliche Gehirn eine große Rolle in der Farbwahrnehmung spielt. Farbe scheint auf den ersten Blick eine physikalische Eigenschaft zu sein, was aber nicht richtig ist. Farbe ist eine Sinnesempfindung, die auch eine physikalische Komponente hat (die spektrale Verteilung der Lichtstrahlung), aber deren Verarbeitung im menschlichen Auge und Gehirn passiert.

Die Tatsache, dass Farben nicht nur im Gehirn verarbeitet werden, sondern dass sie eine ausgeprägte Wirkung auf die menschliche Psyche haben, ist uns seit langer Zeit bekannt. Schon 1810 veröffentlichte Goethe seine Farbenlehre, eine dreiteilige Schrift, in der der Autor seine Erkenntnisse zu den Themen Farbenwahrnehmung und Psychologie der Farben darstellte.

Heutzutage ist der Einfluss von bestimmten Farbpaletten auf die menschliche Psyche wissenschaftlich nachgewiesen und die moderne Farbenlehre wird sowohl in der Persönlichkeitsdiagnostik als auch in der Farbtherapie benutzt.

Die Farbpsychologie stammt aus dem Zusammenspiel von Wissenschaft, Kunst und Kultur. Anders gesagt, wie Menschen auf Farben und Farbkombinationen reagieren, ist sowohl psychologisch als auch kulturell bedingt.

Psychologische oder evolutionäre Assoziationen sind diejenigen, die aus der Evolution resultieren und daher auf der ganzen Welt gleich sind. Zum Beispiel wählen wenige Menschen Braun als Lieblingsfarbe wegen der Assoziation mit verdorbenen Produkten. Andererseits assoziieren Menschen auf der ganzen Welt mit der Farbe Grün Begriffe wie Natur und Wachstum.

Kulturell bedingte Assoziationen sind erlernte Assoziationen. Mit der Zeit haben wir alle gelernt, bestimmte Farben mit bestimmten Gefühlen zu assoziieren. Es gibt hier aber immer Unterschiede zwischen den einzelnen Kulturen. In Deutschland tragen z.B. Bräute Weiß als Symbol der Reinheit und Trauernde sind schwarz gekleidet, während in China Weiß die Farbe der Trauer ist und Bräute in Indien vielfarbige Saris tragen.

Die unterschiedliche Farbgebung eines Objektes kann somit unterschiedliche Emotionen in der Wahrnehmung auslösen. Aber Farben beeinflussen nicht nur die Gefühle, sondern auch das Handeln von Menschen. In einer Studie mit dem Titel „Environmental color, consumer feelings, and purchase likelihood“ wurden die Auswirkungen von den Farben Rot und Blau auf das Kaufverhalten der Kunden untersucht. Zwei Laborexperimente wurden durchgeführt. In beiden Experimenten wurden Einzelhandelsgeschäfte überwiegend mit den Farben Rot oder Blau gestaltet. Beide Experimente bewiesen, dass Kunden eine deutlich stärkere Neigung zum Einkaufen zeigen, wenn sie sich in einer blauen Umgebung befinden. Somit wird klar, dass die psychologische Wirkung von Farben dazu beitragen kann, eine Marke zu stärken, ein Geschäft anzutreiben oder die Besucher einer Website zu bestimmten Aktionen zu anregen.

Die Bedeutung der Farben

Durch angeborene und erlernte Assoziationen und hat die westliche Kultur den wichtigsten Farben die folgenden Bedeutungen zugeteilt:

Rot: Die Farbe Rot steht für Lebensfreude, Vitalität, Energie und Leidenschaft und selbstverständlich auch für die Liebe. Rot kann jedoch auch aggressiv und aufwühlend wirken und Wut und Kraft verkörpern.

Grün: Grün gilt als Farbe des Lebens und der Natur und erweckt hoffnungsvolle, aber auch beruhigende Gefühle beim Betrachter. Sie steht für Großzügigkeit, Sicherheit, Harmonie und Wachstum.

Gelb: Gelb ist die Farbe der Sonne. Sie vermittelt Licht, Heiterkeit und Glück und symbolisiert Freundlichkeit und Offenheit sowie großen Freiheitsdrang. Gelb wirkt stimmungsaufhellend.

Blau: Blau ist eine kühle und ruhige Farbe. Sie ist die Farbe des Himmels und des Wassers. Sie steht für Ruhe, Vertrauen, Sicherheit und Sehnsucht.

Farbpsychologie im Webdesign

Um eine erfolgreiche Webseite zu gestalten, ist es nicht genug, die Inhalte in einer sowohl attraktiven als auch praktischen Art und Weise zu gestalten. Benutzerfreundlichkeit und Ästhetik sind zwar sehr wichtig, aber die Psychologie der Besucher sollte auch von Anfang an in Betracht gezogen werden. Wie bereits erwähnt, Farben spielen hier eine zentrale Rolle und, wenn sie richtig benutzt werden, können sie die Gefühle und das Handeln der potentiellen Kunden stark beeinflussen.

Meistens werden Webseiten derart gestaltet, dass sie eine neutrale Hintergrundfarbe mit einer oder mehreren Hauptfarben kombinieren. Die neutralen Farben haben im Webdesign eine ähnliche Funktion wie der weiße Raum. Sie bieten dem Leser die Möglichkeit an, durchzuatmen und die Inhalte zu priorisieren. Außerdem wirken neutrale Farbkombinationen heutzutage minimalistisch und schick. Aus diesem Grund sind neutrale Farben auf vielen modernen Webseiten sehr dominant.

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Die Farben Rot, Gelb und Orange haben hohe Signalwirkung und sind von daher dazu geeignet, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu lenken. Werden sie aber zu intensiv eingesetzt, können diese Farben ihre positive Wirkung verlieren und bei dem Nutzer sogar Angriff und Wut hervorrufen. Außerdem können Webseiten, die Rot und Orange zu intensiv verwenden, aufdringlich und schrill wirken. Eine eher beruhigende Wirkung erzielen Grün und Blau. Blau vermittelt auch Treue und Sicherheit. Schwarz, Grau und Weiß geben den Eindruck von Seriosität.

Die Farbwahrnehmung wird zudem durch die Abtönung der jeweiligen Farben beeinflusst. Zum Beispiel haben zartere Farbtöne zwar weniger Signalwirkung, aber sie erzielen einen harmonischeren Eindruck.

Farbkodierung und Buttons

Benutzer werden bewusst und unbewusst von der Farbkodierung einer Webseite beeinflusst. So kann die Farbänderung an einem Call-to-action-Button eine deutliche Verbesserung der Conversion-Rate erzielen.

Ein Call-to-action-Button besteht aus vier Elementen: Form, Call-to-action, Platzierung und Farbe. Alle vier Aspekte müssen harmonisch gestaltet werden, um erfolgreich zu sein. Die Farbe spielt hier eine zentrale Rolle. Am besten sollte man versuchen, den Button derart zu entwerfen, dass er sofort auffällt und gleichzeitig mit dem gesamten Design harmoniert.

Diese Ansicht wird von Experimenten und Tests bekräftigt. In einer Fallstudie von Maxymiser wird gezeigt, dass die Farbkodierung eine entscheidende Rolle in der Conversion-Rate spielt. Eine E-Commerce Webseite erzielte einen Anstieg von 11% mehr Klicks zum Check-out Bereich, indem sie verschiedene Farbvarianten für ihren Button getestet haben.

Laut Experimenten sind die Farben, die am besten konvertieren, helle Primär- und Sekundärfarben, wie zum Beispiel Rot, Orange und Gelb. Auch Grün ist eine hervorragende Option, da die meisten Menschen Grün mit dem grünen Ampellicht assoziieren. Dagegen haben dunklere Farben wie Schwarz, Dunkelgrau oder Braun eine sehr niedrige Conversion-Rate.

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Designed by mel d’ web carpenter for Joel – Versa

Schließlich spielt die Berücksichtigung der Psychologie der potentiellen Kunden eine zentrale Rolle für einen gelungenen Design-Prozess. Um eine erfolgreiche Webseite zu entwerfen, ist es nötig, darüber nachzudenken, welche Design-Elemente bestimmte Aktionen oder Gefühle in der eigenen Zielgruppe auslösen können. Die Farbpsychologie kann Designern und digitalen Entrepreneuren dabei helfen, die richtigen Entscheidungen während des Design-Prozesses zu treffen, beziehungsweise die eigene  Webseite bewusst und zielgerecht zu optimieren.

Die Autorin

Alessandra Maino ist Digital Marketing Manager bei 99designs, dem weltweit größten Grafikdesign-Marktplatz. Geboren und aufgewachsen in Italien, Alessandra wohnt in Berlin, wo sie das bunte kulturelle Angebot und die dynamische Startup Kultur der Stadt seit vier Jahren genießt. Neben Marketing, Design und Branding, interessiert sie sich für Ernährung, Reisen und Literatur.

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